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Woisch no...? - Ein Bericht von Robert Heer fürs MTG-Guckloch

Ein toller Bericht übers Schwimmen und die Geschichte des Schwimmsports in Wangen!

Herzlichen Dank an Robert Heer, der uns erlaubt hat, den Bericht auch hier zu veröffentlichen

 

 

Die alte Badeanstalt in der Lindauer Straße

Ein Bericht der Schwäbischen Zeitung vom 22.07.1953, der mir im MTG-Archiv in die Hände fiel, und die Schilderungen von Irmgard Kutruff (s. Guckloch 1/2018, Woisch no...?) weckten in mir Kindheitserinnerungen und auch mein Interesse, Näheres über die alte Badeanstalt in der Lindauer Straße zu erfahren, an der ich täglich auf meinem Weg zum Gymnasium vorbeilief. Stadtarchivar Dr. Reiner Jensch hat in seiner 2015 erschienenen neuen Chronik von Wangen auch über die Badeanstalt berichtet und mir freundlicherweise Fotos und einen Text zur Geschichte der Badeanstalt zur Verfügung gestellt. Vom Vorsitzenden der DLRG-Ortsgruppe Wangen, Jürgen Bolz, erhielt ich dankenswerterweise ein Protokollbuch mit vielen interessanten Fotos von der Badeanstalt, in dem die Geschichte der Wangener DLRG in den Nachkriegsjahren aufgezeichnet ist.

Über die Badeanstalt in der Lindauer Straße schreibt Dr. Jensch: „Für die älteren Wangener ist der Begriff „Badeanstalt“ noch mit der lebhaften Erinnerung an eine einst gern besuchte Alt-Wangener Einrichtung verbunden. Den jüngeren hingegen ist nur schwer glaubhaft zu machen, dass ein solches Freibad in der Lindauer Straße tatsächlich existiert hat. Zur Zeit seiner Errichtung war weit und breit kein ebenbürtiges Schwimmbad zu finden, wie in Karl Walchners Erinnerungen zu lesen ist. Doch die Geburt dieser ersten Wangener Badeanstalt war nicht ganz einfach und vollzog sich über mehrere Jahre.“

Der Wangener Verschönerungsverein drängte Ende des vorletzten Jahrhunderts auf den Bau eines Schwimmbades. Zunächst hatte der Gemeinderat ein städtisches Grundstück vor dem Leutkircher Tor dafür vorgesehen, doch scheiterte dieser Plan, da die Besitzerin der Stadtmühle die Nutzung des Wassers aus dem Mühlbach nicht zuließ. So wurde ab 1897 nach einem neuen Standort gesucht.

Dazu schreibt Dr. Jensch: „Man ließ deshalb Temperatur und Schüttung des Quellwassers messen, das unterhalb vom Galgenbühl auf dem Grundstück des Gütlewirts Villinger entsprang. Hier passten die Voraussetzungen. Das Wasser ließ sich in einem größeren Sammelbassin anstauen und teils mit einem Holzgerinne, teils mit Dohlen zu dem im Besitz der Spitalpflege befindlichen Grundstück gegenüber dem Gasthaus „Zum Gütle“ vor dem Lindauer Tor leiten. Gütlewirt Andreas Villinger war gerne bereit, das erforderliche Areal an die Stadt abzutreten und später sogar den Verkauf der Badekarten zu übernehmen. Im Juni 1898 wurde das Baugesuch genehmigt. Der mit 18 000 Mark veranschlagte Bau der Städtischen Badeanstalt ging so zügig voran, dass sie bereits am 13. August 1898 eröffnet werden konnte.

Man betrat die in Holz erbaute Anlage durch einen Mittelbau mit dem Wärterzimmer. Zu beiden Seiten schlossen sich Flügel mit je 7 Auskleidezellen, sowie Duschraum und Abort an. Das „cementierte“ Becken hatte eine Größe von 29 auf 14 Meter. Zusätzlich waren an der Breitseite des Beckens vier abgeschirmte Einzelbäder eingebaut. Das ganze Bad war von einem 2,30 Meter hohen Holzzaun umgeben. 1934 wurde in Erwägung gezogen, die Badeanstalt in der Lindauer Straße zu schließen und abzubrechen, um den Besuch des städtischen Strandbades Hammerweiher dadurch zu steigern. Aus Rücksicht auf viele Bitten, besonders der Schulen und der DLRG wurde davon jedoch abgesehen. Nach dem Kriegsende nahm die französische Besatzungsbehörde das Schwimmbad für die Interessen ihrer Truppen in Anspruch. Bei der Freigabe für die Zivilbevölkerung im Juni 1947 wurde trotz der Proteste einiger Sittenwächter das „Familienbad“, d.h. das gleichzeitige Baden beider Geschlechter eingeführt.“

Die oben erwähnte DLRG wurde schon 1927 vom damaligen MTG-Vorstand Fritz Hindelang gegründet. Unter Erich Weiß war sie dann viele Jahre sehr aktiv, doch als dieser 1944 in Russland fiel, erlosch die Wangener Ortsgruppe. 1953 erfolgte die Wiedergründung, Peter Föhr wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt. Wie schon in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts gab es auch nach dem Krieg eine enge Kooperation der DLRG mit der MTG-Schwimmabteilung. In verschiedenen Artikeln und Anzeigen

der Schwäbischen Zeitung wird von gemeinsamen Veranstaltungen, Besprechungen schwimmsportlicher Aktivitäten, der Durchführung eines Jugendschwimmsportfestes in der Badeanstalt oder von Vorführungen von Filmen über verschiedene Schwimmtechniken in der MTG-Halle berichtet.

Wer das kleine Bad kannte, kann sich kaum vorstellen, dass dort 1953 eine von der MTG-Schwimmabteilung organisierte Schauveranstaltung stattfand, die - wie der nachfolgende Bericht der Schwäbischen Zeitung zeigt – ein großer Erfolg war.

„Nächtlicher Revue-Zauber im städtischen Schwimmbad

Das hatte Wangen noch nie gesehen! Zunächst eine lange Prozession abendlicher Spaziergänger zum Wangener Schwimmbad in der Lindauer Straße, das sich im Flaggenschmuck mit munter springenden Fontänen (Feuerwehr) und in bengalischer Beleuchtung zeigte. Wasser-Revue im Scheinwerferlicht betitelte sich ein bunter Reigen schwimmsportlicher Darbietungen, vorgeführt von 33 Schwimmerinnen und 12 Schwimmern des SC Osnabrück, sämtlich Teilnehmer der Deutschen Meisterschaften, sowie einheimischen Schwimmerinnen und Schwimmern, Mitgliedern der DLRG-Ortsgruppe, der Landespolizei und der Stadtmusik, organisiert von der Schwimmabteilung der MTG Wangen. Auftakt, musikalische Untermalung und Schlußständchen gab die Stadtkapelle.

Der erste Vorsitzende der MTG, Fritz Hindelang, entbot herzlichen Willkommgruß. Das reichhaltige Abendprogramm brachte als erste Nummer eine Vierer-Damenstaffel über 4 mal 50 m im Bruststil. Dieser folgte bei Walzermusik ein ornamentreicher Bilderreigen von exakt und harmonisch geschwommenen Figuren durch 16 Jungschwimmerinnen. War man da nicht bei Harun al Raschid in 1000 und einer Nacht?

Reicher Beifall belohnte jede Figur und stürmischer Applaus das reizvolle Abschwimmen. Eine aus Osnabrückern und Wangenern gemischte Herrenjugendstaffel demonstrierte über 4 x 50 m die verschiedenen Stilarten des Schwimmens: Rücken-, Brust(orthodox), Schmetterling- und Crawl, eine gemischte Damenstaffel zeigte die gleichen Übungen.

Das folgende Kunstspringen litt unter den unzulänglichen Lokalverhältnissen, da Sprungbrettbeschaffenheit und Wassertiefe bescheidene Grenzen zogen, sodaß nur einige Sprungarten vorgeführt werden konnten. Trotzdem ging auch dies nicht ganz ohne Unfall ab. Eine Teilnehmerin mußte verletzt ausscheiden. Gesprungen wurde vom 13jährigen Jan Clasen, Deutscher Knabenmeister im 1-m-Brett-Springen, von Jutta Mayr, Deutsche Mädchenmeisterin im 1-m-Brett-Springen, von Renate Paps, der 1. Deutschen Jugendmeisterin in gleicher Disziplin, und von Renate Groß, 2. Deutscher Jugendmeisterin.

Sie alle zeigten, daß sie unter besseren Bedingungen noch ganz andere Leistungen vollbringen könnten. Es folgte eine 4 x 50-m–Herrenjugendstaffel im Crawl-Stil, dessen Bester als Schlußschwimmer der Staffel II in fabelhaft flüssigem Stil zwei volle Meter Distanz zum Zweiten schaffte. – Die Herren ließen sich in ihrer Crawl-Staffel über 3 x 50 m sichtlich mehr Zeit.

Nochmals führten zwölf Schwimmerinnen ihr großes Geschick im Kunstschwimmen vor. Ihre letzte Figur, das Viererrad in Dreierreihe, trotz niedrigem Wasserstand in Vollendung geschwommen, sicherte den Badenixen einen stürmisch gefeierten Abgang. In humoristischer Manier demonstrierten nun die Landespolizei (Wiegand) und DLRG-Gruppe ihr Können im Rettungsschwimmen. Ein Hauptspaß war die Lehrschlußnummer zwischen Meister und Schüler. Dem Organisator Peter Föhr sei besonders gedankt.“

Peter Föhr, dieser Name fällt sofort, wenn sich ältere Wangener über die Badeanstalt unterhalten. Denn bei ihm erlernten zahlreiche Wangener das Schwimmen. Über einem kleinen seitlichen Becken war zwischen zwei Pfosten ein Stahlseil gespannt. An diesem hingen die Schwimmschüler wie an einer Angel in einem Gurt, die über eine Rolle oben am Seil befestigt war. Unter der strengen Kontrolle des Schwimmlehrers Föhr, der stets darauf achtete, dass die Schwimmbewegungen exakt ausgeführt wurden, schwammen die Schwimmschüler im Gurt hängend etwa 5 Meter in die eine und nach der Wende in die andere Richtung. Mit einer Eselsgeduld lief er oben am Beckenrand hin und her und korrigierte die Schwimmbewegungen seiner unten an der Angel hängenden Schwimmschüler.

Peter Föhr, der auch in der MTG-Schwimmabteilung aktiv war, war von Beruf Lehrer und später Rektor an der Evangelischen Volksschule am Boelckeplatz, der späteren Berger-Höhe-Schule. Seinem Einsatz für das Schwimmen war es sicherlich auch zu verdanken, dass 1967 an der Evangelischen Volksschule ein Lehrschwimmbecken gebaut wurde, das bis zum Jahr 2010 in Betrieb war.

Ich selbst durfte als Grundschüler, der noch nicht ganz sicher schwimmen konnte, alleine in die Badeanstalt gehen, wohl deshalb, weil meine Eltern wussten, dass die Becken nicht allzu tief und damit ungefährlich waren und auch immer eine Aufsicht zugegen war, die nach dem Rechten schaute. Allerdings war die Badeanstalt an heißen Sommertagen auf der schmalen Liegewiese meistens völlig überfüllt, so dass leicht der Überblick verloren ging und man seine abgelegten Habseligkeiten des Öfteren nicht gleich wieder fand.

In den kleinen Becken war an ein Schwimmen über längere Strecken nicht zu denken, da sich viel zu viele Kinder und Erwachsene im Wasser tummelten und sich beim Schwimmen gegenseitig behinderten. Besondere Vorsicht war geboten, wenn man in den Bereich der Sprungbretter in den Ecken des Schwimmerbeckens kam. Besonders Mutigen genügte der Sprung vom 1-Meter-Brett aber nicht. Sie kletterten auf das Dach der Mädchen-Umkleidekabine und machten von dort einen „Köpfer“ ins Wasser.

In meinen ersten Jahren am Gymnasium hatten wir auch gelegentlich Schwimmunterricht in der Badeanstalt. Diese war morgens für die Schulen gesperrt und unser Sportlehrer Paul Kindl konnte dort das Frei- oder Fahrtenschwimmen abnehmen.

Mit einem Schmunzeln denke ich auch gerne daran zurück, dass wir Buben immer wieder versuchten, durch Astlöcher in die Umkleidekabinen der Mädchen zu spicken. Aber wehe, man wurde erwischt oder verpetzt! Dann kam die bissige Kassiererin und Aufsichtsperson, Frau Matiowski (?), und man hatte Glück, wenn sie einen nur „regelrecht zur Sau machte“.

Dass es Derartiges auch schon in viel früheren Zeiten gab, als die Geschlechter noch getrennt baden mussten, zeigt der Bericht von Dr. Jensch. „1913 machte Oberlehrer Edelmann „die ergebenste Mitteilung, dass ihm Hauptlehrer Eilt mitteilte, dass er wiederholt schon gesehen habe, wie sich Buben an den Wandungen des Badhauses dadurch beschäftigten, dass sie durch die sich dort findenden Ritzen hineinschauen, wenn sich die Mädchen im Bade befinden. Ich halte dafür, daß es das richtigste wäre, wenn Herr Stadtbaumeister für Beseitigung oder Verstopfung solcher Ritzen besorgt sein könnte“ – was unverzüglich auch geschah“.

 

 

Robert Heer

Wangen im Allgäu, Herbst 2018

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